Kinderärzte fordern Hilfe-Hotline für Eltern Kontrollverlust
Düsseldorfer Kinder- und Jugendärzte fordern eine nächtliche Hilfe-Hotline für überforderte Eltern. Die Stadt müsse endlich handeln, Erziehungsberechtigten helfen und Kinder vor Gewalt schützen.
Abends und nachts, wenn Eltern müde und erschöpft sind und die „Nerven blank liegen“, sind Kinder besonders gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden. Oft schaukeln sich Stresssituationen hoch: das Kind schreit und lässt sich nicht beruhigen, die Eltern versuchen es mit Herumtragen und Beschwichtigen, aber nichts hilft. In einer solchen extremen Stresssituation verlieren manche Eltern die Kontrolle über sich selbst, sie schlagen zu oder schütteln das Kind. Vor allem bei Säuglingen kann dies zum Tod führen oder lebenslange Behinderungen verursachen. Manche Eltern werden von dem Stress selber krank, sie sind chronisch übermüdet und fühlen sich als schlechte Eltern, weil es ihnen nicht gelingt, ihr Kind zu beruhigen. Bei allen leidet die Eltern-Kind-Beziehung.
Dr. Hermann Josef Kahl, Obmann der Düsseldorfer Kinder- und Jugendärzte und Sprecher der Stiftung Kind und Jugend, sowie Dr. Wilfried Kratzsch, Vorsitzender der Stiftung Deutsches Forum Kinderzukunft, haben 2018 gemeinsam mit dem Jugendamt der Stadt und Trägern der Frühen Hilfen „einen wichtigen Baustein zum vorbeugenden Schutz vor Gewalt und Verwahrlosung von Kindern entwickelt“, so Kahl: ein Einlegeblatt mit Adressen, die Eltern bei Kindeswohlgefährdung weiterhelfen können. Das Einlegeblatt liegt allen Vorsorgeheften bei. Ärzte und Medizinische Fachangestellte werden eigens geschult, wie sie Eltern mit den Infos vertraut machen.
Die beiden Kinder- und Jugendärzte wünschen sich für Düsseldorf eine nächtliche Hotline, die Eltern schnell erste Hilfe zum Handling ihrer Kinder gibt. Unterstützt werden Sie in Ihrer Forderung aus wissenschaftlicher Sicht von der Kindheitspädagogin Prof. Dr. Michaela Hopf der Hochschule Düsseldorf.
Dr. Hermann Josef Kahl: „Gewalt und Vernachlässigung von Kindern in Familien sind oft Symptom von Überforderung. Überforderung tritt oft akut auf, vor allem in den Abendstunden und in der ersten Nachthälfte. Dann brauchen Eltern schnelle Hilfe. Sie brauchen jemanden, der sie anleitet, um wieder Kontrolle zu erlangen. Dies können speziell ausgebildete Kräfte am Telefon leisten. Deshalb brauchen wir die Hilfe-Hotline.“
Dr. Wilfried Kratzsch: „Die Corona-Pandemie hat das Leben der Familien verändert. Das gewohnte Leben ist eingeschränkt, Kontakte zu Freunden und Verwandten sind seltener. Dadurch sind viele Eltern sozial isoliert. Einige haben in den letzten Wochen ihre Arbeit verloren oder sind von Arbeitslosigkeit bedroht. Dadurch stehen sie unter Stress.“ Die dadurch entstehenden Krisen hielten sich nicht an Praxis- oder Bürozeiten. „In Städten wie Nürnberg oder Essen gibt es seit über zehn Jahren Hilfe-Hotlines für Eltern in den Abend- und Nachtstunden. Sie haben sich bewährt, vor allem in den letzten, durch die Pandemie geprägten Monaten. In Düsseldorf gibt es lediglich eine Bereitschaftsnummer für Notfälle in Kaiserswerth, die jedoch nur sehr begrenzt zu Verfügung steht.“
Es sei daher an der Zeit, dass auch die Landeshauptstadt eine effiziente Hilfe-Hotline bekommt.“ Man habe Oberbürgermeister Thomas Geisel insgesamt dreimal angeschrieben. Einmal sei eine ausweichende Antwort, die aus allerlei nichtssagenden Textbausteinen bestand, gekommen, zweimal wären die Briefe unbeantwortet geblieben.
„Der OB hat selbst in einem Zeitungs-Interview gesagt, dass in Coronazeiten die Gefahr für Kinder, Opfer elterlicher Gewalt zu werden, wächst“, so Kahl. „Wir erwarten daher, dass er seinen Erkenntnissen nun auch Taten folgen lässt und veranlasst, dass die Stadt endlich die Hilfe-Hotline einrichtet.“